[Cz-L] Czernowitz in der FAZ - article in German about Czernowitz

From: by way of Bruce Reisch <dana.dimitriu_at_web.de>
Date: Tue, 21 Sep 2010 14:59:38 -0400
To: Czernowitz-L_at_cornell.edu
Reply-to: Dana Dimitriu <dana.dimitriu_at_web.de> (by way of Bruce Reisch)

Hello all,

this article appeared in the Frankfurter
Allgemeine Zeitung (FAZ), one of the major German
newspapers.
I apologize for not translating it, I am in the
office and quite busy so did not have the time -
perhaps someone in the group can translate for
those who do not speak
German?

Kind regards,

Dana Dimitriu

Wiesbaden, DE
Email dana.dimitriu_at_web.de
Fax +49-3212-3262367

--
Researching: BRECHMAN, BOLCHOVER, FISCHMAN(N), 
HALPERN, MIZRACH, NEUMAN(N), RABINOVICI, SCHERZ, 
TAMLER
in: Ataki, Gan Yavne, Husiatyn, Kopyczynce, 
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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.09.2010, Nr. 217, S. 44
Schwarze Milch - Dirk Schümer
Für einen kurzen Moment beherbergte das kleine 
Czernowitz das Denken der Welt. Dann kamen Krieg, 
Vertreibung, Massenmord. Heute ist es eine Stadt 
der toten Dichter. Einer von ihnen ist Paul Celan.
Das Geburtshaus von Paul Celan ist kein Museum. 
Wo einer der größten Dichter deutscher Sprache 
gelebt hat, empfängt die Besucher keine Kasse, 
kein didaktisches Konzept, kein Literaturarchiv 
und schon gar kein Café. In der 
Saksaganskogo-Straße wohnen auch heute noch 
Menschen, und man kann das gut verstehen. Für 
Czernowitz ist das eine gute Gegend mit schönen 
Jugendstilhäusern, alten Kastanien, imposanten 
Mietsblöcken und dennoch unweit des Zentrums. 
Zwei große Adler aus Stuck zieren die Giebel des 
Hauses - Symbole des gesellschaftlichen 
Aufstiegs, auf den auch der Architekt Leo 
Antschel hoffte, der mit seiner Familie hier vor 
neunzig Jahren lebte. Wer würde aus solch einer 
schönen Immobilie schon gerne ausziehen für einen 
toten Dichter einer fernen Sprache, der sogar 
seinen Namen in Celan verdrehte? Immerhin 
erinnert seit ein paar Jahren eine Bronzetafel an 
den Mann, der in Czernowitz in einem 
alteuropäischen Kokon aufwuchs, die Ermordung der 
Seinen miterleben musste und dann an der Sprache 
der Mörder verzweifelte, die auch die immer 
gehetzte, immer geballtere Sprache seiner 
Gedichte war.
Und weil das Geburtshaus des Dichters der 
"Todesfuge" keinen Gedenkraum beherbergt, treten 
die lebenden deutschen Dichter, die zum ersten 
Lyrikfestival in Paul Celans Heimatstadt 
angereist sind, einfach durch den geschrubbten 
Flur hinaus auf den Hinterhof. Hier haben Mieter 
ein Bauerngartenbeet angelegt, dessen 
orangefarbene Blüten im Spätsommerlicht leuchten; 
ein Teppich hängt zum Lüften über der Stange. Es 
ist ganz still. Um diese Stille zu hören, sei er 
nach Czernowitz gekommen, sagt Mark Belorusez, 
der Celans Gedichte ins Ukrainische übersetzt. In 
der Ruhe der Provinz - der tiefsten 
habsburgischen Provinz, die sich denken lässt - 
konnte Paul Celan als Dichter reifen. Und Mark 
Belorusez rezitiert Celans Gedicht von der 
krausen Minze und der glatten Minze, wie sie auch 
auf diesem Bauernbeet stehen könnte.
"Durch diesen Hof fließt die Seine", sagt er noch 
und hat Tränen in den Augen, weil er dabei an den 
Fluss denkt, in dem sich Paul Celan vor vierzig 
Jahren das Leben genommen hat. Und während sich 
kein Mensch blicken lässt, inspizieren die 
deutschen Dichter das saubere, lichte Treppenhaus 
mit seiner Blümchentapete, gehen über die 
Kellertreppe, auf der auch der kleine Paul 
Antschel gespielt hat, bevor er sich Paul Celan 
nannte, und können darüber nachdenken, wie damals 
aus der äußersten Peripherie der deutschen 
Sprache wundersam ihr Zentrum werden konnte. Und 
während sich die mitteleuropäische 
Dichterdelegation über die Saksaganskogo-Straße 
in melancholischer Stimmung entfernt, wird ihr 
ukrainischer Kollege Igor Pomeranzew sofort 
wieder pragmatisch: "Die Leute hier im Haus 
müssen Celan hassen. Er ist die beständige 
Drohung, dass sie bald rausfliegen und hier doch 
noch ein Museum entsteht."
Zum neunzigsten Geburtstag des großen Celan 
veranstaltet seine Vaterstadt erstmals ein 
Poesiefestival, hat Dichter aus halb Europa, vor 
allem aus den deutschsprachigen Ländern, dorthin 
geladen, wo zwischen 1880 und 1940 eine der 
unerhörtesten Explosionen von Kreativität 
stattfand, die es in Europas Kultur je gegeben 
hat. Czernowitz, dessen weit über die Hügel am 
Pruth gezogene habsburgische Altstadt etwas 
abgebröckelt, aber komplett erhalten ist, hatte 
nur achtzigtausend Einwohner. Doch im heiklen 
Ungleichgewicht von fünf Sprachen - Deutsch, 
Jiddisch, Rumänisch, Ukrainisch, Polnisch - und 
im Aufeinandertreffen von mittelalterlicher 
Dorffrömmigkeit der Popen und Chassiden und 
humanistischer Moderne von Universität und Labor 
schossen die Genies eine Generation lang nur so 
empor. Eine Kleinstadt beherbergte für einen 
kostbaren Moment das Denken der ganzen Welt.
Man kann nicht durch die weiten, keinen Überblick 
gestattenden Hügelstraßen von Czernowitz gehen, 
ohne alle paar Meter auf Gedenktafeln für 
Geistesgrößen zu stoßen, als wäre man in Paris 
oder Petersburg oder der Stadt, welcher 
Czernowitz um jeden Preis ähneln wollte: Wien. In 
der großen Synagoge, die von den Nazis in Brand 
gesteckt und von den Sowjets gesprengt wurde und 
deren Restmauern heute ein Kino beherbergen, hat 
der junge Joseph Schmidt, einer der größten 
Tenöre aller Zeiten, als Kantor gesungen. Er 
starb 1942 mit achtunddreißig Jahren in einem 
Schweizer Auffanglager auf der Flucht; man hatte 
seine Herzkrankheit nicht behandelt. Ein paar 
Schritte neben dem Tempel bezeichnet eine Tafel 
das Geburtshaus von Erwin Chargaff, der drei 
Jahre jünger war als Schmidt, als Biochemiker die 
DNA mitentdeckte und mit siebenundneunzig Jahren 
2002 in New York starb - nebenbei war er noch 
einer der klügsten Essayisten des vorigen 
Jahrhunderts.
In Czernowitz, dessen relative 
Bevölkerungsmehrheit um 1900 aus Juden bestand, 
lernten und schrieben, lehrten und 
veröffentlichten gleichzeitig einige der besten 
jiddischen Autoren: der Pädagoge Elieser 
Steinbarg und der versoffene Poet Itzig Manger, 
der fliehen konnte und nach einem Wanderleben 
1969 in einem Sanatorium bei Jerusalem letztes 
Obdach fand. Auch Gregor von Rezzori, der mit 
Brigitte Bardot auf der Leinwand zu sehen war und 
sich in Czernowitz für seine "Maghrebinischen 
Geschichten" inspirierte, ist von hier. Rumäniens 
Nationaldichter Mihail Eminescu lebte ebenso in 
der habsburgischen Hauptstadt der Bukowina wie 
mehrere poetische Ikonen der heutigen Ukraine: 
Olga Kobylanska oder Dmytro Zahul, der in Stalins 
GULag umkam. Man könnte die Liste beliebig 
fortsetzen. Josef Burg, letzter jiddischer 
Dichter aus dem Schtetl, ist vorigen August in 
Czernowitz mit fast siebenundneunzig Jahren 
gestorben.
Nun ist Czernowitz eine Stadt der toten Dichter - 
aber welche Schicksale haben sie gehabt! Welche 
pathetischen Tode sind sie gestorben! Die 
überzeugte Kommunistin Klara Blum, Jahrgang 1904, 
wurde Chinesin, nachdem Stalin in Moskau ihren 
chinesischen Ehemann umgebracht hatte - sie starb 
als Zhu Bailan 1971 in Guangzhou, mitten in der 
Kulturrevolution. Ihr Jahrgangsgenosse Moses 
Rosenkranz überlebte die Nazis als Sekretär im 
rumänischen Außenministerium, überlebte ebenso 
den GULag und floh vor der Securitate 1961 in den 
Schwarzwald, wo er 2003 mit neunundneunzig starb. 
Alfred Margul-Sperber, der Förderer und manchmal 
auch Ideengeber von Celan, wurde im 
kommunistischen Rumänien anerkannter 
Schriftsteller. Alfred Gong verzweifelte als 
Bibliothekar in einem psychiatrischen Krankenhaus 
in der Bronx. Das Junggenie Selma 
Meerbaum-Eisinger wurde 1942 in einem 
transnistrischen Arbeitslager mit achtzehn Jahren 
umgebracht; ihre großartigen Gedichte erschienen 
erst jetzt. Ihre Fast-Nachbarin Ninon heiratete 
rechtzeitig den Nobelpreisträger Hermann Hesse 
und lebt während der dunklen Jahre in der 
Schweiz. Der heute achtundsiebzigjährige Aharon 
Appelfeld musste die Ermordung seiner Mutter 
durch die Nazis mit ansehen, kam in das 
Czernowitzer Getto, schlug sich als streunendes 
Kind in den Karpatenwäldern durch und lehrt heute 
hebräische Literatur an der 
Ben-Gurion-Universität in Israel.
Trotz eines solchen Erbes, wie es keine andere 
Kleinstadt auf Erden vorweisen kann, dauerte es 
bis nach der Jahrtausendwende, dass die heutigen, 
die ukrainischen Czernowitzer etwas mit ihren 
Dichtern anfangen konnten. Bei der Eröffnung von 
"Meridian Czernowitz" erzählt Svyatoslav 
Pomeranzew, der Organisator des Festivals, denn 
auch frank und frei: Er habe als Importeur von 
Klimaanlagen niemals über die Geschichte der 
Stadt nachgedacht, in die seine Familie nach dem 
Krieg mit der Roten Armee gekommen war. In den 
imposanten Marmorsaal des rumänisch-orthodoxen 
Patriarchats, heute Universität, wäre er als 
"Biznessman" nicht gegangen. Doch nachdem die 
Finanzkrise ihn an den Rand des Bankrotts 
gebracht hatte, hatte Pomeranzew plötzlich Zeit 
zum Lesen und zum Nachdenken.
Man merkt ihm und dem Organisationsteam fast das 
Staunen an, dass heute amerikanisch-jüdische 
Traditionsfonds die Ruine der 
Wunderrabbiner-Synagoge von Sadagora auf dem 
Stadtgebiet wiederherrichten, dass Freiwillige 
aus Amerika den Friedhof vom Gestrüpp befreien 
und dass immer mehr deutsche Touristen sich nach 
Czernowitz aufmachen. Und doch bedarf es einer 
Menge Mut, um in einer Stadt mit holpriger 
Straßenanbindung und ohne anständiges Hotelzimmer 
europäische Literaten dorthin einzuladen, wo sie 
das heimliche Zentrum des Kontinents nurmehr 
erahnen können. Und auch die Studenten im 
Festsaal applaudieren überrascht, wenn der 
Schweizer Schriftsteller Andreas Saurer sie bei 
der Rezitation seiner aphoristischen Gedichte in 
fließendem Rumänisch, wenn der deutsche Poet 
Hendrik Jackson sie in perfektem Russisch 
anspricht. Man interessiert sich also doch für 
diesen vergessenen Teil Europas. Durchaus 
hermetische Lyriker wie Elke Erb oder Brigitte 
Oleschinski kehren bei der Reise nach Czernowitz 
zu den Wurzeln des Genres, zu Paul Celans 
verdichteten und verrätselten Innenbildern zurück.
Wenn Gerhard Falkner sein schönes Poem vom 
Stadtplan als Gedicht und von den Straßen als 
Zeilen und den Häusern als Wörtern vorträgt, dann 
fühlt man sich zu Fuß unterwegs im 
untergegangenen Czernowitz, das für die Fremden 
aus magischer Poesie besteht. Für die Ukrainer 
aber ist es eine ganz gewöhnliche Stadt der 
Amtsstuben und Märkte, Restaurants und 
Autowerkstätten. Für ein paar Tage wird das sonst 
etwas langweilige und gegenüber den Palästen des 
altpolnischen Lemberg unspektakuläre Czernowitz 
nun zur Kulturhauptstadt. Die Tempelgesänge des 
Tenors Joseph Schmidt bekommen eine 
Videoinstallation, die Gedichte Celans eine 
beklemmende Performance im ruinösen Saal des 
einstigen Hauses der Volksdeutschen. Und zur 
Rezitation des ukrainischen Rappers Serhij Zhadan 
kommen junge Czernowitzer scharenweise hinaus auf 
den Zezyno-Hügel weit vor der Stadt, wo die 
asphaltierte Straße längst aufgehört hat und der 
Buchenwald des Karpatenvorlandes beginnt.
In solchen Tagen erweist sich Czernowitz als 
Stadt der lebendigen Poesie, gerade weil es in 
Paul Celans Elternhaus auch an seinem neunzigsten 
Geburtstag kein Museum gibt. Und auch die Zeit 
des schüchternen Gymnasiasten Paul Antschel ist 
noch nicht gänzlich versunken. Max Schickler 
büffelte in der Unterrichtssprache Rumänisch auf 
derselben Schule, dem Vierten Staatsgymnasium - 
allerdings einen Jahrgang über Paul Celan. Auch 
er ist zum Literaturfestival gekommen. Zerwühlter 
weißer Schopf, abgeschabte Anzugsjacke, ein Auge 
ist blind, aber auch mit einundneunzig Jahren 
pflegt Max Schickler ein druckreifes Deutsch. Der 
schmächtige Paul Antschel ist ihm auf der Schule 
gar nicht aufgefallen: "Er war ja als Schüler 
noch nicht bekannt."
Und dann erzählt Max Schickler von seinem Vater, 
dem Czernowitzer Hutfabrikanten, den die Russen 
1940 deportierten, von der Mutter, die das 
rumänische KZ wundersam überlebte. Und von seiner 
eigenen Flucht fünfhundert Kilometer zu Fuß zur 
Roten Armee, wo er dank seiner Muttersprache als 
Übersetzer der deutschen Kriegsgefangenen 
durchkam. Weil Juden "bei meiner Matura im 
achtunddreißiger Jahr" schon nicht mehr studieren 
durften, hat er sein Leben lang in der örtlichen 
Strumpffabrik gearbeitet. Seine hohe Meinung vom 
Fleiß und von der Organisation der Czernowitzer 
Volksdeutschen ("Sie versorgten die ganze Stadt") 
hat ihm auch die Schoa, die aus dem Land der von 
ihm verehrten Kultur Goethes und Schillers über 
die Seinen kam, nicht zerstört. Nun muss Max 
Schickler mit knapp hundert Euro Rente und 
kleinen Zuschüssen des jüdischen 
Wohltätigkeitsvereins irgendwie durchkommen. Man 
sieht ihm an, wie schwer das ist. Aber er ist 
ungebeugt. Unter den siebenhundert Czernowitzer 
Juden von einst über vierzigtausend sprechen 
keine zwei Dutzend mehr Deutsch oder Jiddisch, 
schon Max Schicklers Kinder haben die Sprache 
nicht mehr gelernt. "Nichts mehr. Aus. Deutsch 
ist hier nicht mehr modern", sagt er.
Und so kommt Max Schickler humpelnd und mit dem 
Bus wenigstens gern zu den Erben Celans, seines 
kleinen Schulkameraden, und fällt bei der 
Erklärung sogar kurz ins prägnantere Jiddische: 
"Ich hab' nicht mit wem sprechen." Diese traurige 
Geschichte vom Zugrundegehen einer Kultur 
konterkariert immerhin Igor Pomeranzew, der Onkel 
des Veranstalters. Als ein in London und Prag 
lebender Dichter und Journalist ist er nicht ganz 
unschuldig am Zustandekommen dieses Festivals, 
welches das poetische Czernowitz aus der 
Totenstarre reißen soll. Er ist nach 1948 in der 
Stadt aufgewachsen und verkörpert als Sohn 
sibirischer Rotarmisten die einstweilen letzte 
unterdrückte Sprache der Stadt: das Russische. 
Der als Dissident ausgebürgerte Sowjetmensch 
erzählt auf der einstigen Herrengasse ein 
ungeschriebenes Schlusskapitel der Stadthistorie: 
In den fünfziger Jahren waren die Juden trotz der 
Massenmorde in den rumänischen Lagern wieder in 
der ganzen Stadt präsent, aber es waren die 
Überlebenden der bessarabischen Schtetl, die in 
die großen Wohnungen der Toten eingezogen waren. 
Pomeranzew erinnert sich an Boxer und Huren und 
Rabbiner, an ein wieseliges Leben der 
Davongekommenen: "Für uns Kinder war das alles 
aufregend, es gab keinen Blick zurück, die Stadt 
strotzte vor Optimismus." Die wenigen 
überlebenden "habsburgischen" Juden in ihren 
Anzügen und feinen Mänteln hätten sich unter den 
Proleten gleichen Glaubens arg unwohl gefühlt. Um 
1960 siedelten die Czernowitzer Juden dann nahezu 
kollektiv nach Israel aus.
All die verschollenen Kulturen zu ersetzen ist 
seither die Aufgabe der Ukrainer. Doch wie soll 
das gelingen? "Es gibt zu viele Tote, die unter 
unseren Füßen ruhen", schreibt Jurij 
Andruchowitsch, der bekannteste ukrainische 
Autor. Er ist auf der Strecke, in seiner 
Vaterstadt Iwano-Frankiwsk in den Dichterbus nach 
Czernowitz zugestiegen, immerhin einer Großstadt, 
die nach einem Poeten - Iwan Franko - benannt 
ist. Andruchowitsch, der vor ein paar Jahren noch 
russisch schrieb, hat gerade einen ukrainischen 
Roman über die Suche nach einem verschollenen 
Freund in einer halb mythischen Stadt 
fertiggestellt. Das Buch handelt von Venedig, 
doch der Autor ist nie über Nacht in der Lagune 
geblieben, damit seine Vision nicht zu echt wird.
So geht es auch mit Czernowitz: Am Ende läuft 
alle Wahrnehmung der Stadt auf Nebel und 
Archäologie hinaus. Der riesige Judenfriedhof, 
der drittgrößte Europas, ist mit seinen 
hunderttausend Gräbern stellenweise komplett mit 
Holunderbüschen überwuchert, anderswo sind die 
Grabsteine mit hebräischen, jiddischen, 
russischen, deutschen Inschriften reihenweise 
umgekippt. Czernowitzer Tote bis zum Horizont, 
deren Stelen - anders als das viel kleinere 
Berliner Holocaust-Monument - alle einen Namen 
tragen.
Die österreichische Autorin Milena Findeis hatte 
auf dem Festival ein schönes Gedicht über Bäume 
und das Menschenleben vorgetragen; der Faden 
spinnt sich vom Herumkrabbeln des Kleinkindes im 
Obstgarten über den ersten Kuss unterm Baum bis 
zum Sarg aus Buchenholz. Milena Findeis konnte 
beim Schreiben nicht wissen, dass sie diese 
Zeilen einmal in Czernowitz, der Hauptstadt der 
Bukowina, lesen würde, der einzigen Landschaft 
Europas, die nach einem Baum benannt ist: 
Buchenland. Ein kleines Land mit Millionen von 
Bäumen für Millionen von Särgen und Millionen von 
Gedichtzeilen. Denn zwischen den Wörtern, da 
liegt man nicht eng.
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